Auf seiner Lesereise machte der Lyriker José F.A. Oliver  –  auf Initiative der Stadt- und Kreisbibliothek – im März auch Station in St. Wendel. Die Klasse 9b des Cusanus-Gymnasiums kam dabei in den Genuss einer Werkstattlesung.

Gedichte im Deutschunterricht – so mancher Schüler weiß davon ein trauriges Lied zu singen, bedeutet es doch, Form, Inhalt und Sprache zu analysieren, um „herauszufinden“, was der Dichter wohl mit seinem Gedicht sagen möchte, oder gar aus Schülersicht, was der Deutschlehrer hören möchte.

Mit einem Fragenkatalog hatten sich die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b auf die Begegnung mit dem vielfach ausgezeichneten Dichter und Schriftsteller José F.A. Oliver vorbereitet.

José F. A.Oliver ist in der Welt der Worte zu Hause, davon konnten sich die Neuntklässler sehr schnell überzeugen.

Als Sohn andalusischer Eltern 1961 im Schwarzwald geboren, wo er noch heute lebt, fühlt Oliver sich gleichsam in vier  Sprachen beheimatet, spricht neben Deutsch, Spanisch, Französisch und Englisch auch Andalusisch, die Sprache der Mutter, und Alemannisch. „ In die deutsche Sprache bin ich verliebt“, bekannte der studierte Germanist und Romanist.

Wie man denn Schriftsteller werde, wollten die interessierten Schülerinnen und Schüler wissen.  Das Bedürfnis zu schreiben habe er schon als ganz junger Mensch verspürt. Das Schreiben sei für ihn eine Leidenschaft gewesen wie für andere Jungen in diesem Alter das Fußballballspielen, erklärte Oliver – ein Vergleich, der vor allem den männlichen Zuhörern der Klasse 9b die Leidenschaft des Dichters für die Sprache vor Augen führte. Das Dichten habe er sich sozusagen nicht ausgesucht, sondern es  habe vielmehr nach ihm gerufen und er sei dem Ruf gefolgt.

Als freiberuflicher Schriftsteller zu leben, das sei hingegen eine bewusste Entscheidung gewesen. In dieser Funktion als Schriftsteller sucht Oliver den Kontakt zu den Menschen, vor allem zu der Jugend. Mit dem Literaturhaus Stuttgart entwickelte er Schreibwerkstätten für Schulen, um die Sprachsensibilität und den Zugang zur Literatur zu fördern, an  mehreren namhaften ausländischen Universitäten dozierte er als Gastprofessor.

Am Cusanus-Gymnasium entführte Oliver die Schüler der 9b – zusammen mit Uwe Hippchen (Stadt-und Kreisbibliothek) und Deutschlehrerin Cornelia Niehren – nach Istanbul, ließ sie mit zwei Gedichten seiner 21 Gedichte aus Istanbul den einzigartigen Rhythmus der  Millionenstadt, wie er diesen selbst erlebt hatte, nachempfinden. Man solle sich auf ein Gedicht einlassen, den Klang und die Musik der Worte auf sich wirken lassen, um Zugang zu finden, verriet Oliver.  In der Konsequenz plädiert er auch dafür, im Deutschunterricht die Aufsatzform Analyse und Interpretation durch die Aufsatzform Schülerkommentar zu ersetzen, eine Position, über die man durchaus nachdenken könne, so  Deutschlehrerin Cornelia Niehren.

Am Ende der Werkstattlesung hatten die Neuntklässler vieles erfahren – über den dichterischen Schaffensprozess, für den neben der Begabung auch ein gutes Handwerkszeug unabdingbar sei,  über den Einfluss der literarischen Vorbilder Olivers, vor allem aber über den Zauber der Poesie. José F.A. Oliver bedankte sich bei den Schülerinnen und Schülern für die angenehme Atmosphäre.

„Dichter sind doch irgendwie anders“, resümierte Julia in der darauffolgenden Deutschstunde  – mit Respekt und auch ein wenig Ehrfurcht vor der Dichtkunst.