Nach den Winterferien Anfang März stand plötzlich Matthias Gard bei mir im Büro und fragte mich, ob ich kurz Zeit hätte. In der Tat: ich hatte Zeit für ihn, obwohl ich mich schon ein wenig wunderte, hatten wir doch gerade noch zusammen in Raum 111 gesessen und die letzten Fragen für die bevorstehende Kursarbeit geklärt.

„Herr Büch, was halten Sie davon, wenn wir gegen die Klassenstufe 12 des Gymnasiums Wendalinum ein Fußballspiel organisieren?“ Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf ging, war ein positiver, weil ich daran dachte, dass der aktuelle Abiturjahrgang nicht viele Möglichkeiten hatte, um seine Abiturkasse zu füllen. Und zu einem solchen Ereignis ließen sich bestimmt Getränke, Würstchen im Brötchen und Kuchen verkaufen.

Allerdings schaute ich dann auf den engen Terminkalender, das war der erste kleine Moment der Reflexion. Letzte Kursarbeiten, Mottowoche, Abistreich, die Sprechprüfungen in den Fremdsprachen Englisch und Französisch … Und dann: ein Fußballspiel gegen die Nachbarschule. Verletzungen, Ausfälle, offene Rechnungen … Sie glauben gar nicht, was mir an Assoziationen im Kontext des Wortfeldes „Fußball“ so alles in den Sinn kam…

Nachdem ich am darauffolgenden Tag mit dem Liegenschaftsmanagement der Stadt St. Wendel geklärt hatte, dass aus städtisch-administrativer Sicht dem Spiel prinzipiell nichts im Wege stehen würde, habe ich Matthias den Vorschlag unterbreitet, am 1. April zu spielen. Ein Freitag – und wenn die Schulleitung der Gymnasiums Wendalinum mitspielen (ha, ha, ha) würde, könnten wir überlegen, welche Schülerinnen und Schüler den Unterricht in der 5. und 6. Stunde an diesem Freitagvormittag als Fans im Sportzentrum verbringen würden. Bei einem Treffen mit Alexander Besch und Hendrik Schultheis waren wir uns schnell einig, dass dieses Fußballspiel eine tolle Idee sei und dass wir die Klassenstufen 8 bis 11 – sofern keine Leistungsnachweise oder Kursarbeiten anstünden – mit ihren Fachlehrerinnen und Fachlehrern zu diesem Spiel ins Sportzentrum pilgern lassen könnten. Gesagt – getan.

Der Tag rückte näher, das Thermometer kletterte in den Wochen vor dem Spiel kontinuierlich bereits am frühen Vormittag auf frühsommerliche Temperaturen, der Platz wurde bestellt, die Eltern bereiteten sich auf das Kuchenbacken vor und die Fußballer kauften Getränke, Würstchen und Brötchen. Der Kontext für ein großes Fußballfest war bereitet.

Leider kehrte am 31. März der Winter zurück. Es war kalt, nasskalt, und der Rasenplatz im Sportzentrum war nicht so vorzubereiten, dass er bespielbar gewesen wäre. Dort hätten wir eine Tribüne gehabt und wenigstens die Zuschauer hätten ihre Mannschaft im Trockenen anfeuern können …

Der Wettergott freitags war dann offensichtlich ein Sankt Wendler und den St. Wendler Gymnasien wohlgesonnen: es regnete wenigstens nicht. Die Temperaturen allerdings bewegten sich bei frischen 2 Grad Celsius und so manche Kollegin oder so mancher Vater, der zum Spiel ins Sportzentrum anreiste, hätte sich anstelle von Mineralwasser, Cola und Fanta lieber einen ordentlichen, wärmenden Glühwein gewünscht.

Egal: die Spieler auf dem grünen Rasen brauchten keine warmen Getränke, denn sie gaben alles. Und dies vor allem mit viel Spaß und einer gesunden Prise Humor. Da tat es auch nichts zur Sache, dass der Schiedsrichter nicht unparteiisch war, kam er doch aus den Reihen des Gymnasiums Wendalinum und ließ in der zweiten Hälfte des Spiels tatsächlich ganze 15 Minuten (!) nachspielen, weil er sich wohl davon erhoffte, dass „seine“ Schule noch den Ausgleich erzielen würde … J Aber alles der Reihe nach, liebe Leserinnen und Leser!

Die fast 500 Zuschauer auf dem Kunstrasenplatz im Sportzentrum erlebten ein schnelles Spiel von beiden Seiten, in dem die Wendalini mit 1:0 in Führung gehen konnten. Das Cusanus-Gymnasium gab sich nicht auf und die mitgereisten Fans feierten ihre Mannschaft weiter frenetisch an. Nach einem unzweifelhaften groben (Achtung: Ironie!) Foul im 16-Meter-Raum des Gymnasiums Wendalinum konnte das Cusanus-Gymnasium den anschließenden Foulelfmeter verwandeln und glich somit aus. Das 2:1 des Cusanus-Gymnasiums kurz nach Wiederanpfiff war verdient und zeigte den Weg: man hatte das Spiel gedreht. Ein herrlich herausgespieltes 3:1 kurz vor dem eigentlichen Ende – die Schulleitungen hatten sich auf zweimal 35 Minuten geeinigt – sollte nicht mehr einzuholen sein. Doch der „Man in Black“, der wohl gerne zu einem solchen Helden wie Will Smith in dem gleichnamigen – nur eben Men im Plural – Kinostreifen geworden wäre, wollte und wollte das Spiel nicht abpfeifen. Selbst die friedlichen und gut gelaunten Zuschauer konnten sich ein schallendes „Schiri, pfeif ab!“ nicht mehr verkneifen, weil a) die Temperaturen mittlerweile gefühlt unter 0 Grad Celsius gerutscht waren und weil b) das Gymnasium Wendalinum noch den Anschlusstreffer in der 9. Minute der „Nachspielzeit“ erzielte.

Um 13.00 Uhr hatte der eigentlich Unparteiische (J) ein Einsehen und beendete das Spiel. Das anschließend geschossene (Achtung: Wortspiel!) Gruppenfoto der beiden Mannschaften war der beste Schuss des Tages, denn er machte eines ganz deutlich: die Abiturienten dieses Jahrgangs stehen zusammen und haben dieses Fußballspiel zu einem echten Event gemacht, auf das beide Schulen mächtig stolz sein können. Und natürlich auch Rainer Bommer. Denn selbstverständlich standen auch Spieler des Arnold-Janssen-Gymnasiums auf dem Platz. Liebe Leserinnen und Leser, und was noch viel besser war als das Spiel selbst: die Schüler hatten sich vor dem Spiel darauf geeinigt, aus der Partie ein Benefiz-Spiel zugunsten der Opfer des Ukraine-Krieges zu machen. Und symbolisch untermauerten unsere Abiturienten dieses Ansinnen mit der Farbwahl der Trikots: Das Cusanus-Gymnasium trug blaue Trikots, während das Gymnasium Wendalinum gelbe Trikots trug.

Man kann über unsere Schülerinnen und Schüler Vieles sagen. Ja, sie haben manchmal ihre Hausaufgaben nicht gemacht, ja, sie hätten manchmal besser vorbereitet in die eine oder andere Klausur gehen können. Das alles mag stimmen. Aber was das heutige Spiel zeigt, ist doch, dass sie sich Gedanken gemacht haben und dass sie sich ihrer gesellschaftlichen und moralischen Verantwortung bewusst sind. Und darauf können wir Lehrerinnen und Lehrer mächtig stolz sein, denn das gehört auch zum Reifeprozess dazu, genauso wie auch die Eltern unserer Abiturjahrgänge stolz auf ihre Kinder sein können. Unsere Abiturienten haben heute soziales Engagement und sich solidarisch mit den Opfern im Ukraine-Krieg gezeigt. Mögen sie sich diese Sozialkompetenz bewahren und möge vor allem das sinnlose Sterben und das barbarische Blutvergießen in der Ukraine irgendwie bald ein Ende haben.

600 € – diese Zahl bin ich Ihnen bisher schuldig geblieben – haben die Schülerinnen und Schüler mit Getränken, Kuchen und Würstchen zusammenbekommen. Dieser Betrag war es wert! Danke!

Herzlichst, Ihr Holger Büch, komm. Schulleiter