Am 16.03.2022 begeisterte das Wiener Forum Theater die 139 Oberstufenschülerinnen und – schüler des Cusanus – Gymnasiums in Sankt Wendel nicht nur durch die gelungene Abwechslung zum geregelten Schulalltag in Corona – Zeiten, sondern auch durch eine qualitativ hochwertige Inszenierung eines Literaturklassikers. Die 75 Minuten andauernde Theateraufführung „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing stellte dabei in prägnanter Art und Weise die Botschaft der Toleranz und Humanität heraus, die gerade angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen relevanter denn je ist.

Minimalistisch ausgestattet brauchte die Schauspielgruppe, bestehend aus zwei Schauspielern und einer Schauspielerin, lediglich 15 Minuten, um ihr Bühnenbild aufzubauen: vier Stellwände, zwei Scheinwerfer und ein paar Requisiten zierten die Bühne und verwunderten zunächst die Zuschauer, die mit größerem Aufwand gerechnet hatten.  Die Stellwände zeigten eine Fotokulisse Jerusalems, Symbolort für Christen, Juden und Muslime, und verdeutlichten dadurch bereits die Schwerpunktsetzung auf die Botschaft des dramatischen Gedichts. Gerade diese Reduktion der Ausstattung und die verkürzte Version des Originaltextes, welche sich auf die prägnantesten Szenen und Figuren beschränkte, führten zu einer eindrucksvollen Vorführung.

Die Einleitung des Stücks nahm Peter Arnt, Leiter der Aufführung und selbst Schauspieler, vor, indem er den historischen Hintergrund der Kreuzzüge in Jerusalem und Saladin als Herrscher thematisierte. Mit einer provokanten Frage, ob sich seither etwas an der weltpolitische Lage verändert habe, leitete er geschickt zum Werk an sich über.

Beginnend mit dem Klosterbruder, der die Hintergründe der Adoption Rechas und die Begnadigung des Tempelherrn durch den Herrscher Saladin aufklärte, wurde die Hauptfigur Nathan, gespielt von Peter Arnt, gekonnt in den Vordergrund gerückt, indem dieser sowohl weise als auch selbstkritisch dargestellt wurde. Nachdem der Tempelherr, zunächst ein Vertreter des dogmatischen Christentums mit Exklusivitätsanspruch, jedoch mit menschlichen Charakterzügen, durch ein geschickt geführtes Erziehungsgespräch Nathans einen Entwicklungsprozess im Sinne der Aufklärung durchläuft, verliebt er sich in Recha, die er zuvor aus einem brennenden Haus gerettet hat. Parallel dazu thematisierte die Schauspielgruppe den humanen Charakter des Sultan Saladins, der aufgrund hoher Geldschulden Nathan in seinen Palast einlud. Den Höhepunkt des Stücks stellte, wie im Werk selbst, dabei die Ringparabel dar. Die ursprünglich auf einer List Sittahs beruhende Frage Saladins, welche Religion die wahre sei, wurde von Nathan nach einem kurzen, reflektierenden Selbstgespräch mit dem Gleichnis von den drei Ringen beantwortet, das im übertragenen Sinne für die Gleichheit und Verbundenheit der drei abrahamitischen Religionen zu deuten ist. Diese Antwort fand bei Saladin Zuspruch, sodass die Zusammenführung der Religionen durch die gespielten Figuren im Palast inhaltlich sowie symbolisch zu einer Familie zusammenfanden und die Toleranz und Verbundenheit feierten.

Besonders beeindruckend war neben der pointierten Darstellung auch die Wandlungsfähigkeit der Schauspieler, die innerhalb kürzester Zeit nicht nur die wechselnde Kostümierung, sondern auch die Charakterzüge der einzelnen Figuren den Zuschauern präsentierten. Aufgrund der bewusst gesetzten inhaltlichen Reduktion war das Drama, welches den Schülerinnen und Schülern bereits aus dem Deutschunterricht bekannt war, nachvollziehbar, leicht verständlich und fesselnd. Durch kunstvolle Dialoge gelang es den Schauspielern, die Ernsthaftigkeit der Botschaft mit Humor und Leichtigkeit den Zuschauern zu vermitteln und so den Literaturklassiker zum Leben zu erwecken.

Durch die Zielrichtung des Stücks und dessen Botschaft schlug Peter Arnt anschließend geschickt den Bogen zurück zur heutigen Zeit. Lessings Aufforderung, aufgeklärtes Handeln und Toleranz zu vermitteln, ist auch heute, circa 200 Jahre danach, angesichts von Diskriminierung von Minderheiten, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Krieg aktueller denn je. Und so traf der Schlussappell Peter Arnts „Tolerante Menschen führen keine Kriege!“ die Intention des Werks auf den Punkt und lässt sich somit als Plädoyer für Humanität und Toleranz bezeichnen.